Gedanken

- Lesezeit: 12 Minuten -

Gedanken zu „Alternativen zu WhatsApp“

Vorwort

Immer wieder werden bekannte Messengersysteme wie beispielsweise Signal oder Threema als Alternativen zu WhatsApp empfohlen, denn die sind doch super „sicher“!?

Das mag sein, aber was ist „Sicherheit“ überhaupt, gibt es „Pseudosicherheit“ und ist Sicherheit für jeden dasselbe!? Gibt es neben Sicherheit nicht auch noch andere Dinge wie beispielsweise Freiheit, Privatsphäre, Datenschutz oder Nachhaltigkeit? Leider werden diese Begriffe oft nur als Schlagwörter (buzzwords) benutzt oder sogar gegeneinander ausgespielt, ohne die tatsächliche Bedeutung und Wichtigkeit zu erkennen.

Eines der bekanntesten Zitate (extern) von Benjamin Franklin (1706-1790) lautet:

“Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren”.

Warum nicht Alternative XY

Zentrale und voneinander abgeschottete Dienste wie Signal & Co. helfen nicht dabei, die Grundproblematik zu lösen, sondern stärken letztendlich dadurch sogar die Position und Marktmacht von WhatsApp. Denn allen gemeinsam ist, daß diese wie WhatsApp auch Insellösungen sind und man daher von einer zentralen Stelle abhängig ist:

Es fehlt die Interoperabilität. Es ist also nicht möglich, Nachrichten anbieterübergreifend auszutauschen, so wie das z.B. bei E-Mail, Telefon oder dem Mobilfunk ganz normal ist.

Mehr Informationen, warum solche Systeme tatsächlich nicht die Heilsbringer sind, findet man: >>hier<<

Es wird also keinem dieser Anbieter gelingen, gegen das „Quasimonopol“ anzukommen - Warum sich also Gedanken machen? …

Die Lösung

… Weil die Lösung bereits auf dem Tisch liegt, und das Beste daran ist, daß sie keiner Firma gehört: „Chat“.

Eine rhetorische Frage: Wer nutzt Telefon und E-Mail? Alle? Dann kennen alle sicherlich auch die Vorteile dieser Systeme: Unabhängigkeit durch freie Wahl der Anbieter, was durch

  • Zusammenarbeit der Anbieter (=Föderation) und
  • standardisierte, internationale Protokolle

ermöglicht wird (=Interoperabilität). Genau dasselbe gilt und gibt es auch für „Chat“!

Je mehr Leute per normalem Chat erreichbar sind, desto besser. Unter „normal“ sind in diesem Fall Messenger zu verstehen, die internationale Standards einhalten. Beispielsweise ist es bei dem ebenfalls offenen (aber nicht standardisierten) Protokoll „Matrix“ so, daß es eine Brücke zu standardisiertem Chat („XMPP“) gibt.

Solche Brücken/Tansportwege für normale Nachrichten sind vielleicht nicht perfekt, aber dennoch hilfreich und sehr vorbildlich. Sie machen auch die Wichtigkeit von international einzuhaltenden Regeln (Standards) deutlich, denn diese sind -wie in vielen anderen Bereichen auch- der Garant für Innovation und Zukunftssicherheit. Bei anbieterunabhängigem Chat werden internationale Standards eingehalten und man hat mehr Möglichkeiten und Freiheiten, als man zunächst vielleicht annimmt …

Einladung

Oft gibt es nur Halbwissen oder teils auch veraltete Informationen - Deshalb hier die Bitte, unabhängigen Chat selbst einmal persönlich zu testen und eigene Erfahrungen zu machen, denn hierfür braucht man kein Expertenwissen!

Alle, die schon anbieterunabhängig erreichbar sind, können diesen Einladungs-Link verwenden, um ihre Kontakte darüber zu informieren:
https://www.freie-messenger.de/i/#meinname@chatadresse.de
(natürlich muß die jeweils eigene Chatadresse statt dem Platzhalter ab ‘#’ eingetragen werden.)

Aber kann es überhaupt gelingen, die Allgemeinheit zur sicherer Chat-Kommunikation zu bewegen?

Ja! Wobei die Frage ist, was „sicher“ bedeutet und ob „anbieterunabhängige und sichere Kommunikation“ nicht eine treffendere Formulierung wäre.

Es hilft auch nicht, auf mangelnden Datenschutz oder die Auswertung von Metadaten bei WhatsApp & Co. zu verweisen, denn die Probleme kennt heute wahrscheinlich jeder und ignoriert sie fleißig, da das sehr bequem ist. Treffenderweise wurde der Konzern Facebook in „Meta“ umbenannt, was gedanklich sehr nah bei Metadaten liegt …

Vorteile

Oft ist es einfach besser, auf die technischen Vorteile aufmerksam zu machen und darauf hinzuweisen, daß man selbst auf diesem Weg erreichbar ist. Ausschlaggebend sind dann vor allem praktische Dinge wie:

  • mehrere Chatkonten (Beruf, Privat, Sonstiges)
  • synchrone Nutzung an mehreren Geräten (Smartphone, PC, Tablet)
  • Nutzung mit und ohne SIM-Karte möglich
  • kein Mindestalter (wegen der Kinder)
  • automatisch dabei: Privatsphäre+Datenschutz

Es gibt aber noch mehr Gründe, die für die unabhängigen Chat sprechen - man muß WhatsApp ja nicht sofort löschen, sondern kann das parallel nutzen. Einige Vorteile von freiem Chat auf der Basis des (flexibel erweiterbaren) Standardprotokolls:

Grundsätzliche Vorteile

  • öffentlicher (internationaler) Standard statt oft geheimem Firmeneigentum
  • Unterstützung von „öffentliche Gelder -> öffentlicher Code“
  • Unabhängigkeit von einem externen (zentralen) Anbieter mit zentraler Systemarchitektur: Die Gefahr und Abhängigkeit, die bei der Nutzung von zentralen Diensten besteht, zeigen aktuelle Beispiele des SWR (Sperrung WhatsApp-Chatkonto) sowie die temporäre Beendigung des Messengerdienstes Ginlo (2019 bzw. 2020)

Ein föderales System (analog anderen Kommunikationsformen wie z.B. E-Mail) macht unabhängig und ist vor allem zukunftssicher.

Technische Vorteile

  • Es sind getrennte (und mehrere) Chatkonten möglich
  • gleichzeitige Nutzung von Mobilgeräten und PC/Laptops mit Nachrichtensynchronisation über mehrere Endgeräte
  • Chatten mit oder ganz ohne Smartphone
  • Chat-Clients für Windows/Linux/Mac/Android/iOS/…
  • keine personenbezogene System-Identifikations-Nummer
  • nicht nur geschlossene Chatgruppen, sondern auch öffentliche Chaträume sind möglich
  • Es sind mehrere Ende-zu-Ende-Verschlüsselungen möglich (unterschiedliche Arten)
  • Es können eigene Chatserver betrieben werden (Eigenhosting)

Organisatorische Vorteile

  • Bei selbst betriebenen Chatservern können die Daten in einem Sicherungskonzept berücksichtigt werden.
  • Anbindung an Nutzerverwaltungssysteme ist möglich
  • Einfache Anpassung an die Aufbau- und Ablauforganisation
  • interne und externe Kommunikation möglich

Finanzielle Vorteile (Kosten)

  • keine Mehrfachinvestitionen in Inselsysteme
  • Gelder können individuell für Programmieraufträge zur Verbesserung des Codes vergeben werden
  • IT-Unternehmen können mit Dienstleistungen und Beratung Geld verdienen
  • Programmcode von Clients und Serversoftware ist oft quelloffen und darf daher einfach verwendet, individuell angepasst und weiterentwickelt werden

Vorurteile

Vorurteil #1: „Kennt niemand

Doch - sogar die Verbraucherzentrale (extern), das ZDF (extern; wenn auch mit inhaltlichen Fehlern) oder der Nachrichtendienst ‘heise’ (extern) berücksichtigen diese - und nicht zu vergessen das Bundeskartellamt (extern) - wie oben schon angesprochen.

Vorurteil #2: „Nutzt niemand

Wirklich?

Potentielle Kommunikationspartner

Der Hauptnutzen in der Kommunikation ist die Anzahl an potentiell verfügbaren Kommunikationspartnern (Netzwerkökonomie). Jedoch wird die Anzahl der Nutzer und potentiellen Kommunikationspartner bei anbieterunabhängigem Chat leider oft unterschätzt. Da weder Telefonnummer noch Smartphone verpflichtend ist, sind alle Internetnutzer potentielle Kommunikationspartner - denn Chatten ist auch rein im Browser möglich.

Eine optimale Netzwerkökonomie ist somit gegeben.

Konkrete Nutzerzahlen

Anbieterunabhängiger Chat auf der Basis des international standardisierten Protokolls „XMPP“ ist zumindest so verbreitet wie Threema - was fehlt, ist lediglich ein zentrales Marketing.

Allein die offiziellen Nutzer-/Downloadzahlen verschiedener (untereinander interoperabler!) Messenger-Apps sind in der Summe beeindruckend - hier verschiedene Zahlen zu den Installation aus dem Playstore:

  • zwischen 1.000.000 und 5.000.000 bei Xabber
  • zwischen 100.000 und 500.000 bei Conversations (deutscher Entwickler)
  • zwischen 100.000 und 500.000 bei Yaxim (deutscher Entwickler)
  • zwischen 10.000 - 50.000 bei blabber.im/Pix-Art (deutscher Entwickler)
  • weitere Apps vorhanden

Über die Suchseite „Shodan“ werden ca. 300.000 Server gefunden (ohne Nutzerzahlen).

Unbekannte Nutzerzahlen

Zu den Zahlen aus dem PlayStore kommen noch die Installationen des bekannten Appstores „F-Droid“ (extern), in dem nur quelloffene Apps zur Verfügung gestellt werden. Hier werden die Downloadzahlen jedoch nicht veröffentlicht.

Darüber hinaus gibt es auch noch verschiedene Apps aus der Apple-Welt wie … - Monal, - Siskin und - ChatSecure (ehemals führend; wird jedoch nicht mehr aktiv weiterentwickelt)

… sowie auch Desktop-Clients für Windows und Linux wie z.B. - Gajim, - Pidgin, - Dino, - Kaidan

Allen Apps/Programmen gemeinsam ist, daß leider keine Downloadzahlen verfügbar sind.

Eigentlich sollte keine Argumentation auf Nutzerzahlen abzielen, denn dann müssten alle bei WhatsApp bleiben - aber es handelt sich ja auch nur um ein Vorurteil.

Vorurteil #3: „Kompliziert

Bitte? Jeder, der ein E-Mail-Konto oder ein Konto bei Facebook, Instagram, Apple, Microsoft & Co. einrichten kann, ist in der Lage, auch ein Chatkonto einzurichten!

Allerdings müssen die gebotenen Freiheiten und Möglichkeiten natürlich erst kennen- und schätzengelernt werden - aber das haben wir bei der Papierpost, Telefon und E-Mail ja auch geschafft.


Schnelleinstieg

Alle, die bisher WhatsApp nutzen, dürften mit der Telefonnummer als Teil der Chatadresse kein Problem haben. Somit wäre für 75%-80% der Nutzer von Smartphones (ca. Anteil Android) die kostenfreie App Quicksy der einfachste Einstieg in unabhängiges Chatten. Das ist eine Einfachversion der Chat-App Conversations, bei der lediglich ein Chatkonto verwendet wird. Beide Apps sind vom selben Entwickler.

Wer tatsächlich auf die Telefonnummer als Teil der Chatadresse verzichten will oder ein iOS-Gerät nutzt, kann auf andere ebenfalls sehr gute Apps für „Chat“ zurückgreifen - bei denen dann sogar mehrere Chatkonten gleichzeitig nutzbar sind. Das ist beispielsweise gut, um Privates von Beruflichem zu trennen.

WhatsApp-Wechsler

Oft wird vom „Umstieg“ oder „Wechsel“ weg von WhatsApp geredet. Allerdings werden die wenigsten Leute WhatsApp tatsächlich von Ihrem Gerät löschen. Dazu sind noch zu viele Kontakte hier gebunden und abhängig.

Solange WhatsApp noch keine offizielle Brücke nach außen ermöglicht, ist es sinnvoll, ergänzend zu WhatsApp anbieterunabhängigen Chat zu nutzen und seinen Kontakten zumindest anzubieten.

Leider werden Messenger-Apps oft wie Briefmarken gesammelt, aber kein einziges von diesen dann halbherzig genutzten Systemen hält öffentliche Standards ein oder unterstützt diese.

Die Mehrzahl der „WhatsApp-Wechsler“ sind somit eigentlich eher „Nach-Alternativen-Suchende“, die je nach Motivation technische Sicherheit, Datenschutz/Privatsphäre oder einfach Unabhängigkeit wollen - aber gleichzeitig die Bequemlichkeit nicht aufgeben wollen.

Verschlüsselung

Wie sieht das mit der Verschlüsselung aus und ist standardisierter Chat eine zukunftssichere Alternative?

Ja natürlich, denn die Verschlüsselung wird einfach „oben drauf“ gesetzt, so wie man sie benötigt. Neue Entwicklungen und Techniken können dadurch einfach ergänzt und integriert werden.

Neben der heutzutage normalen Transportverschlüsselung wie sie im Bereich Browser durch „HTTPS“ Standard ist, kann man Chatinhalte zusätzlich noch per Ende-zu-Ende-Verschlüsselung (E2EE) absichern. Hier gibt es sogar mehrere Möglichkeiten:

  • OMEMO (entspricht der einfach zu bedienenden Singnal-Technik)
  • PGP (Pretty Good Privacy, wie man das auch von E-Mail kennt)
  • MLS (Message Layer Security - eine aktuell neu in Entwicklung befindliche Verschlüsselung)

Beispiel
Die von WhatsApp bekannte und ursprünglich von Signal entwickelte Technik (AXOLOTL) wird heutzutage bei vielen Systemen eingesetzt und ist Stand der Technik. Wer möchte, kann bei freiem Chat (hier OMEMO genannt) seinem Gegenüber quasi automatisiert einfach „blind vertrauen“ (in der Fachsprache „BTBV“ / blind trust bevore verification) - oder bei gesteigertem Sicherheitsbedürfnis durch manuelles Gegenprüfen sicherstellen, daß niemand auf dem Transportweg mitliest oder später durch weitere Geräte Sicherheitslücken entstehen.

Zusammenfassung/Fazit

Anstatt von „Alternativen zu WhatsApp“ sollte man besser von „der Alternative zu geschlossenen Systemen“ sprechen, denn die Nutzung von verschiedenen geschlossenen Systemen wie Threema, Signal, Telegram, Viper & Co. festigt lediglich die Marktmacht von WhatApp.

Die Nutzung von internationalen Standards ist auch beim Chatten extrem wichtig, muß wieder entdeckt und gelernt werden, denn:

Anerkannte Standards sind der Garant für Innovation und Zukunftssicherheit!

Analogie zu anderen Kommunikationsformen:
Das Browsen im Internet ist nicht nur mit einem einzigen Browser möglich - genauso wie jeder Nutzer die Freiheit in der Wahl des Geräts und der Software fürs Telefonieren oder für E-Mail hat.

Eine Öffnung bzw. Verhaltensänderung geht umso schneller, wenn z.B. bei Kontaktdaten auf Internetseiten oder auf Visitenkarten neben der Postadresse, der Telefonnummer und E-Mail-Adresse auch noch die „Chatadresse“ steht.

Dann hat man die wahre Alternative zu WhatsApp und die Lösung des Problems „Interoperabilität“ nicht nur entdeckt, sondern ist auch tatsächlich unabhängig: Chat


Ergänzende Informationen:

Datum: 22.04.2022
Rechte: CC BY-SA
Autoren: Diverse (Initiative Freie Messenger)


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